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Dienstag, 21. Juni 2016

New York Times: Ein Saudischer Imam, zwei Flugzeugentführer und ein fortwährendes 9/11 Mysterium



Von Mark Mazzetti und Scott Shane, 17. Juni 2016

An einem späten Abend im Februar 2004 befragten zwei amerikanische Verhörspezialisten in einem opulenten Palast in Riad einen Mann, von dem sie glaubten, dass er Antworten hat zu einem der fortwährenden Mysterien der Anschläge vom 11. September 2001: Welche Rolle, falls es eine gab, hatte das offizielle Saudi Arabien in den Anschlagsplänen?

Der befragte Mann war Fahad al-Thumairy und war ein Angestellter des Saudischen Konsulats in Los Angeles und der Imam einer Moschee, die von zweien der Flugzeugentführer. Die Verhörenden waren Mitglieder der nationalen 9/11 Kommission, die den ganzen Tag in der US Botschaft gewartet haben, bevor sie spät Abends zum Interview bestellt wurden und sie glaubten, dass er Teil der Planung war und dies ein weiterer Schritt sein könnte, um der Saudischen Regierung nachweisen zu können, dass sie in die Anschläge verwickelt waren.

Erfolgreich waren sie nicht. In zwei vierstündigen Befragungen hat Herr Thumairy, damals Anfang 30 und Vater zweier Kinder, jegliche Verbindungen zu den Entführern und Wissen von den Plänen abgestritten. Auch als ihm Telefonmitschnitte vorgelegt wurden, die seinen Aussagen widersprachen gab er nicht nach und behauptete, dass sie falsch seien oder Dritte ihn in die Sache reinziehen wollen. Die beiden Ermittler schrieben ihrem Vorgesetzten einen Bericht, in dem sie darlegen, dass sie Herrn Thumairy für einen Lügner halten, obwohl keine Regierungsuntersuchung zu den Anschlägen je wasserdichte Beweise fand, dass Herr Thumairy - oder irgendein anderer Vertreter Saudi Arabiens - an der Planung beteiligt war.

Fast 15 Jahre nach den Anschlägen auf New York und Washingtion aber kam die Frage nach einer Saudi Verbindung wieder auf, als neue Aufrufe für eine Veröffentlichung des lange geheimgehaltenen Abschnitts einer Kongressuntersuchung von 2002 über die Anschläge aufkamen, in denen von einer möglichen Rolle der Saudis in der Terrorplanung die Rede ist - den sogenannten 28 Seiten, deren Geheimhaltung sie fast mystisch werden liess.

Amerikanische Beamte, welche die 28 Seiten lesen konnten sagen, dass von allen Ermittlungsfährten in diesem Teil des Berichts die unbeantworteten Fragen über Herr Thumairy und den beiden Entführern die aufsehenerregendsten seien. Sollte es irgendeine Rolle der Saudischen Regierung gegeben haben, dann, so glauben viele, wird es sehr wahrscheinlich über Herrn Thumairy gelaufen sein.

Da in Jahren voller Ermittlungen keine harten Beweise gefunden wurden für eine Beteiligung des offiziellen Saudi Arabiens argumentieren nun einige, vor allem die saudische Regierung, dass das neue Zeugs nur wilde Spekulationen und Verschwörungstheorien beinhaltet. Dem Material der 28 Seiten wurde eingehend nachgegangen, weswegen der saudische Außenminister Adel al-Jubeir wärend einer Pressekonferenz am Freitag sagte: "Diese Ermittlungen haben ergeben, dass an den Vorwürfen nichts dran ist."

"Es gibt da kein da," sagte er.

John O. Brennan, der Chef der CIA sagte kürzlich bei einem Interview mit dem Saudi eigenen Al Arabiya Fernsehsender, dass auch wenn er die Veröffentlichung der 28 Seiten unterstützt, "die Leute diese nicht als Beweis für eine Saudische Beteiligung an den Anschlägen sehen." Amerikanische 9/11 Ermittler, sagte er, schlussfolgerten, dass die Anschläge die Arbeit von "Al Kaida, von Bin Laden" und "anderen von der Sorte" gewesen seien."

Für einige aber bieten die Indizien einen Hauch Wahrheit, die erst noch widerlegt werden muss.

"Es ist einer dieser Fälle, in denen es eine Menge verrückter Zufälle gab," sagte Richard L. Lambert, der den Ermittlungen zu den Kontakten der Entführer im Jahr nach den Anschläger als Stellvertreter des FBIs in San Diego vorstand.

Beim FBI bleibt der Hergang zum 11. September ein offener Fall. Auch wenn es einen Konsens darüber gibt, wie es zustande kam gibt es noch immer Aspekte bei den Ermittlungen, die noch immer nicht beantwortet sind. Und das Mysterium beginnt mit der Ankunft von zwei Saudischen Männern am Flughafen von Los Angeles am 15. Januar 2000, die mehr als eineinhalb Jahre danach zu den Entführern werden, die für den Sturz des American Airlines Flug 77 in das Pentagon verantwortlich wurden.

Abgesehen von ihrer bewiesenen Hingabe zum Dschihad schienen die Männer namens Nawaf al-Hazmi und Khalid al-Mihdhar zwei unwahrscheinliche Kandidaten für Terroristen, die erst noch in den USA überleben und den ganzen Anschlag planen müssen. Beide sprachen kein Englisch oder hatte Erfahrung durch das amerikanische Leben zu kommen.

Diese Umstände rückte sie beim FBI nach den Anschlägen in den Fokus, da herauszufinden war, ob und von wem die beiden Entführer nach ihrer Ankunft Hilfe erhielten. Aber trotz des ermüdenden Abklappern der Hotels haben die Ermittler keine stichhaltigen Beweise gefunden, wo und wie Herr Hazmi und Herr Mihdhar die ersten beiden Wochen in den USA verbrachten. Vermutlich aber haben sie an der König Fahad Moschee im Raum Culver City gebetet, wo Herr Thumairy Imam war und wo sie wohl in einer nahegelegenen Wohnung unterkamen, die von der Moschee angemietet wurde.

Ein FBI Dokument von 2012, das letztes Jahr von einem unabhängigen Untersuchungsforum erwähnt wurde, schlussfolgert, dass Herr Thumairy "sofort jemanden dafür abstellte, der sich um al-Hazmi und al-Mihdhar kümmern sollte in ihrer Zeit im Grossraum Los Angeles." Der Bericht bestätigt die Schlussfolgerung der 9/11 Kommission über die Saudische Beteiligung und das FBI war noch immer nicht in der Lage andere Lücken über diese zwei Wochen im Januar 2000 zu schliessen.

Als die zwei Flugzeugentführer im frühen Februar wieder auftauchten aßen sie in einem Mittelmeergourmetrestaurant nahe der Moschee. Dort entdeckten sie Omar al-Bayoumi, einem anderen Saudi, der über der Zivilluftfahrtbehörde des Landes auf der Gehaltsliste der Saudi Regierung stand und dessen Aufgabe es vermutlich war, ein Auge auf Saudische Dissidenten in Kalifornien zu werfen.

Herr Bayoumi erzählte dem FBI später, dass die Begegnung Zufall war - dass er die Herren Hazmi und Mihdhar überhörte und ihren Akzent vom Golf bemerkte und sich zu einem Gespräch mit ihnen entschloss. Aber das FBI glaubte, dass Herr Bayoumi mit Herrn Thumairy in der Moschee zusammenkam und das kurz bevor er die späteren Flugzeugentführer im Restaurant traf, und die Ermittler fragen sich, ob Herr Thumairy das Treffen arrangierte.

Zu der Zeit war Herr Thumairy Teil eines Vertreternetzweks des Saudischen Ministeriums für Islamische Angelegenheiten, welches Moscheebauten finanziert, Kleriker ausbildet und die konservative und intolerante Sorte des Islam namens Wahhabismus verbreitet. Während der Befragung 2004 in Riad sprach Herr Thumairy positiv über seine sechs Jahre in Los Angeles, lobte das warme Wetter und die freundlichen Menschen. Seine Aufgabe beim Konsulat bei der nahen Moschee sagte er, bestand im Beantworten religiöser Fragen.

Allerdings schrieben die Ermittler, dass Herr Thumairy "trügerisch" wirkte, als er zu seinen Kontakten befragt wurde, vor allem jenen zu Herrn Bayoumi. Er verneinte die Bekanntschaft mit ihm, obwohl die Telefonaufzeichnungen zeigen, dass es im Verlauf von zwei Jahren 21 Anrufe zwischen den beiden gab.

Ob aus Freundlichkeit oder auf Anweisung hin half Herr Bayoumi, damals 42, den beiden angehenden Entführern sich in San Diego niederzulassen, und zwar im Wohnhaus, in dem auch er selbst lebte. Er mitunterschrieb den Mietvertrag, zahlte die Kaution und die erste Monatsmiete, die er später zurück erhielt.

Herr Lambert, der ehemalige FBI Beamte in San Diego sagte, er war skeptisch, dass die Hilfe aus purem Zufall entstand. Da der 9/11 Plan von der Fähigkeit der Entführer abhing, das tägliche Leben zu meisten, sagte er, haben ihnen die Al Kaida Anführer sehr wahrscheinlich einige Arrangements vorbereitet.

"Ich muss davon ausgehen, dass etwas vorbereitet wurde, um den beiden Typen nach ihrer Ankunft beim Durchkommen zu helfen," sagte er. "Sie waren nicht gerade allzu weltgewandt und sie konnten kein Englisch. Sie brauchten Hilfe beim Niederlassen und bei ihren Vorbereitungen."

Es gab andere auffällige Hinweise für ein mögliches Unterstützernetzwerk. Herr Hamzi und Herr Mihdhar begannen in der San Diego Moschee zu beten, wo Anwar al-Awlaki Imam war, ein Amerikanischer Kleriker, der Jahre später zum berüchtigten Internetrekrutierer von Al Kaida wurde. Ein jemenitischer Student namens Mohdar Abdullah fuhr sie herum und half ihnen dabei Bankkonten zu eröffnen und brachten sie zur Flugschule. Zwei saudische Schiffsoffiziere, die in San Diego lebten hatten Telefonkontakt zu Herrn Hazmi.

Aber es war die Thumairy-Bayoumi Verbindung, welche die Ermittler als die verdächtigsten einstuften.

Die erste unabhängige Untersuchung der Anschläge durch den Kongress stellte beim Kalifornischen Teil der Planung eine Liste mit Fährten zusammen, welche dem FBI und der CIA übergeben wurde und danach Teil der 28 Seiten wurde, die von der veröffentlichten Version des Berichts herausgenommen wurden. Dieser Teil ist noch immer geheim auch wenn die Saudische Regierung seit längerem ihre Veröffentlichung verlangt. Der Saudische Minister Jubeir wiederholte den Aufruf am Freitag da, wie er sagte, seine Regierung nicht "auf leere Seiten" reagieren könne.

Die Fragen zur möglichen Rolle seiner Regierung kommen aus mehreren Ecken. Der Senat hat vergangenen Monat einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das es leichter machen würde, die Saudische Regierung für ihre Rolle in den Terroranschlägen zu verklagen und das Repräsentantenhaus wird das Gesetz wahrscheinlich nächste Woche bearbeiten. Ein Prozess gegen Saudi Arabien durch die Angehörigenfamilien der bei den Anschlägen Ermordeten geht derweil weiter seinen langsamen Gang durch die Gerichte.

Eleanor J. Hill, der Direktor der Kongressuntersuchung warnte, dass die 28 Seiten nicht der Rosetta Stein seien, die das 9/11-Puzzle lösen würden.

"Die 28 Seiten sind eine Zusammenfassung der Informationen, die den Geheimdiensten für weitere Untersuchungen gegeben wurden," sagte sie. "Niemand sollte erwarten, dass die 28 Seiten eine engültige Schlussfolgerung erlauben würden."

In einer Stellungnahme im April haben Thomas H. Kean und Lee Hamilton, die stellvertretenden Vorsitzenden der 9/11 Kommission darauf bestanden, dass sie alle Fragen zu einer möglichen Rolle der Saudis in der Planung ernstnahmen und den Fährten in den 28 Seiten nachgingen. Sie sagten, obwohl die Kommission "keine Beweise fand", dass Herr Thumairy den Entführern half, er in dem Fall "noch immer eine Verdachtsperson ist".

Im finalen Bericht der Kommission hiess es, dass "wir fanden keine Beweise, dass die saudische Regierung als Institution oder führende saudische Vertreter individuell [Al Kaida] finanziert haben". Heute weisen einige Kommissionsmitglieder darauf hin, dass die Sätze nicht ausschliessen, dass weniger wichtige Saudi Vertreter den Entführern halfen. Sie sagen auch, die Kommission arbeitete unter extermem Zeitdruck und war deswegen nicht in der Lage allen Fährten nachzugehen.

Herr Thumairys Visum wurde 2003 still aufgehoben, da amerikanische Behörden glaubten, er sei ein "radikaler Imam," wie Dokumente zeigen. Als er von einer Reise nach Hause wieder versuchte zurück nach Los Angeles zu kommen wurde er zwei Tage lang festgesetzt und wieder nach Saudi Arabien geschickt. Aber er erzählte den Befragern in der Nacht von 2004, dass er niemals wissend Terroristen unterstützen würde.

"Er sagte, dass er immer Frieden gepredigt habe, in den USA wie in Saudi Arabien und insbesondere nach 9/11," schrieben Dieter Snell und Rajesh De, die beiden Kommissionsermittler, die ihn befragten im Bericht über die Befragung.

"Er sagte er wolle mit der US und Saudi Regierung arbeiten, da Terrorismus jedem schade."


Im Original: A Saudi Imam, 2 Hijackers and Lingering 9/11 Mystery

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